Es ist mal wieder Zeit, sich an die Hälse von potenziellen Arbeitgebern zu werfen. Zwei Bewerbungen und eine OB-Kandidatur waren von Misserfolgen gekrönt. Ich war zutiefst deprimiert, bis mir ein Stellengesuch unter die Äuglein geriet, welches mich vom Sessel riss. Eine Zeitung (mit und ohne Gänsefüßchen zutreffend) sucht Mitarbeiter. Diese Stellenausschreibung erschien mir maßgeschneidert wie meine Figur betonende Jogginghose. Natürlich ließ ich es mir deshalb trotz wohl abgelaufener Bewerbungsfrist nicht nehmen, doch noch ein Briefchen zu schreiben. Schließlich muss ich meinen Lebensstandard verbessern. Ich erhoffe mir also ein Wahnsinns-Gehalt, um mir den lebenswichtigen Schnickschnack leisten zu können. Außerdem rechne ich mir hier den ebenso wahnsinnigen Aufstieg in der beruflichen Laufbahn aus. Nun hoffe ich, dass dieser mit Hingabe geklapperte Schriebs der Reißer wird und ich zukünftig als edel angepellte Büroschnalle durch die Gegend stöckeln kann.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie suchen also eine/n Social Media Manager/in für Ihre Kritikerseiten auf sogar zwei sozialen Netzwerken.
Da ich Ihre Anforderungen hammermäßig finde, bewerbe ich mich hiermit um diese interessante Stelle.
Meine Grundschulausbildung habe ich mit der wohl hervorragenden Benotung „achherrjee“ abgeschlossen. Meine Eltern schienen jedenfalls sehr stolz auf mich zu sein, denn sie falteten ihre Hände, schauten ständig nach oben und beteten für mich damals unverständliche Worte. Ich erinnere mich nur an „dieses Kind…!“ Ich möchte Sie nun nicht mit meinen privaten Dingen belästigen, sondern weiter an der Überzeugung kurbeln, eine Anstellung bei Ihnen zu bekommen.
Mein technisches Verständnis reicht gerade so aus, um die erstellten Artikel, Cartoons, Umfragen und sonstige redaktionelle Beiträge auf die richtigen Seiten zu bringen. Mit dem Brustton der Überzeugung verrate ich Ihnen, dass ich vor Abscheu strotzende Kommentare verfassen kann. Gelernt habe ich es sogar im Zuge meiner Integration im inzwischen nicht mehr neuen Wohnort. Die gute bis sehr gute deutsche Sprache in Schriftform übe ich noch. Meinen Fremdsprachenkurs für „hochdeutsch“ habe ich fast erfolgreich belegt, wie eine nicht vorhandene Teilnahmebescheinigung beweist. Die Umgangssprache beherrsche ich durch Autodidaktik in Wort und Schrift.
In Ihrer Stellenausschreibung fordern Sie auch Humorlosigkeit und Belastbarkeit. Diese Kombination ist eine angenehme Herausforderung, der ich mich gern stelle. Sie wünschen weiterhin die Fähigkeit, täglich neue Kommentare zu bringen, die sich voneinander unterscheiden. Als Frau kann ich sogar eins drauflegen, denn ich bin sogar imstande, ständig widersprüchlich zu kommentieren. Da ich Loyalität aufgrund der Wortart groß schreibe, werde ich mich selbstverständlich auch von den humorvollen Inhalten Ihrer Zeitung distanzieren. Meinen Wortschatz an Obsz…(verzeihen Sie, irgendwer hat einen fiesen Anstands-Alarmton installiert) werde ich noch ausbauen, weil ich hoffentlich im Team arbeiten darf und jegliche Flüche und Zankereien in mein Vokabelheft übernehmen werde. Ich stelle mich in Bewerbungen, wie auch in diesem Anschreiben, als lernfähig dar. Andererseits bin ich auch zu Tätigkeiten im einsamen und verstaubten Büro geeignet, denn meine Humorlosigkeit ist eine besondere persönliche Qualität, die mich mit Stolz erfüllt.
Aus den Ihnen vorenthaltenen Unterlagen können Sie hoffentlich erkennen, dass auch mein Verschleiß an Therapeuten ein doch beachtenswerter Einstellungsgrund sein sollte. Einige weitere unterschlagene Referenzen können sie bei ehemaligen Arbeitgebern an den Keller-Wänden einsehen. Die gefühlt jahrhundertlange Aufbewahrungsfrist ermöglicht Ihnen also die Einsicht vor Ort. Die Dokumente dürften trotz einiger Einstiche von Dartpfeilen noch erkennbar sein.
Überzeugen Sie einfach sich selbst von meinen Wahnsinns-Qualitäten und laden Sie mich verdammt noch mal auf ein persönliches Gespräch ein. Zu diesem würde ich dann durch Sie finanzierte Taxifahrten erscheinen.
Mit gebeteten Grüßen
Ihre Finger trommelnd auf Antwort lauernde Bewerberin