Der Sommer eiert sich so langsam aus und ab Mitte des Monats sieht es sicher noch trüber aus als in einigen Tagen schon jetzt. Für Leute, die genau lesen können, habe ich eine etwas längere Scherzbewerbung verfasst, die man weder in Länge und Wortlaut schreiben versenden würde, aber klar macht, was man gut findet oder kritisiert. Für die, welche nur schlecht lesen können: es geht nicht um alle, sondern einige. Wer gar nicht lesen kann, lässts, denn es gibt keine bunten Bilder oder Spiele 😛
Sehr geehrte Damen und Herren,
durch einen kleinen Anstoß habe ich mich dazu durchgerungen, mich hier zu bewerben. Der erste ist eine liebe Bekannte, den zweiten dürfen Sie bis zum Vorstellungsgespräch recherchieren oder einfach raten.
Meine Voraussetzungen halte ich an einige Mitarbeiter angemessen. Sollte wirklich Kompetenz gefragt sein, haben Sie ja noch die Mitarbeiter, deren medizinischen Kenntnisse weiter gehen als nach Erste-Hilfe-Kursen. Meine Kenntnisse und Fertigkeiten taugen gerade mal für den Hausgebrauch, aber ich stehe wenigstens dazu. Ich kann zwar nur Erwachsene und Kinder in den verschiedenen Altersstufen wiederbeleben und mit “Heileheile Gänschen“ wieder zum Lachen bringen, habe aber noch nie Verluste beklagen müssen. Mit dem Blick auf einige künftige entzückende Kolleginnen und Kollegen bin ich wahnsinnig beruhigt, dass auch trotz meiner geringen medizinischen Kompetenz doch noch etwas klappen könnte. Bei anderen künftigen Kollegen haben die Patienten oder gar Hinterbliebenen sicherlich gute Psychologen oder Psychologinnen zur Hand.
Reichen eigentlich gute 30 Jahre “Berufserfahrung” mit stets guten Referenzen aus oder passt es hier weniger? Ich bringe in einer Bewerbung sogar den Haken an, dass ich allerdings auch schon fast 40 bin und die 30 Jahre Erfahrung A nicht stimmen und B nicht wunschgemäß auf ein Alter von etwa 20 Jahren gepasst hätten.
Zu meinen Qualitäten gehört auch, dass ich Schwestern und Pfleger auch als künftige Mitarbeiterin gut in Bewegung halten kann. Das Pflegepersonal, welches Humor hat und den Job trotz aller Belastung liebt, kommt sogar gern zum Lachen ins Zimmer (falls das erlaubt ist, weil es in dieser Region als verdächtig gilt). Es ist durch mich bislang noch kein Mensch zu Schaden gekommen. Falls ich allerdings als Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit arbeiten sollte, wäre das nur für mich auch kein Problem. Meine derzeit künftige Kollegin kennt sich in Falschdarstellungen gut aus, wie ich es beim Jammertalkurier deutlich spüren und meine Gegendarstellung für ein winziges Eckchen mitten in der Zeitung selbst schreiben “durfte”, welche wohl eh keiner mehr las. Dann konnte ich zumindest sichergehen, dass es endlich mal stimmt, was in der Meldung steht. Wenn Sie mich gern triezen möchten, setzen Sie mich einfach in die Marketingabteilung, falls es sie gibt, dann erreichen Sie mein Zehnägelaufrollen schneller.
Meine Gehaltsvorstellungen sind übrigens genauso traumhaft wie Ihre Darstellung der Klinik und vehemente Leugnung von berechtigten Kritikpunkten der Patienten. Sie wissen einerseits um die verhältnismaßig niedrigen Immobilienpreise zu denen hier und da auch die Traummieten passen, Sie kennen aber auch die Preise in der Cafétéria und Automaten. Falls ich also beispielsweise eine Taschentuchpackung vergessen habe und dringend eine brauche, zahle ich hier den Preis einer viertel bis halben Großpackung. Wenn ich plötzlich Schokolade brauche und sie nachkaufen muss, kostet sie das Doppelte des EVP im normalen Geschäft. Mit den Kosten der Automatenwartung könnte man es nicht einmal der bildungsfernen Fraktion, die es wirklich zuhauf gibt, vermarkten. Hm, doch, die Hälfte der Süßigkeiten ist ja schon ausverkauft, wie ich beim Preis-Check feststellte. Um schon diese Kosten zu decken, müssten Sie mindestens einen Monat die Bauchtänzerin oder sonstige Anlockversuche einsparen. Macht auch nichts, denn wer in eine Klinik, wohin auch immer kommt, ist nicht zum Vergnügen dort, glauben Sie mir ruhig! Viel mehr als auf einen Klimperkönig am Klavier oder eine Bauchtänzerin, baut der Patient auf gute Versorgung in jeglicher Hinsicht. Dazu gehören Ärzte und Schwestern/ Pfleger, welche mit Patienten umgehen können, ihr Fach verstehen und auch ein Essen, welches nicht in einem Kochbuch gesucht werden muss, um es zu identifizieren. Glücklicherweise wird ja bei der Bestellungsaufnahme vorgelesen, welches Essen am Folgetag auf den Tisch kommen könnte. Ich arbeite noch an der zweiten Million, da es mit der ersten noch nicht so klappte, jetzt dürfte klar sein, was das Mindeste an Gehaltsforderung in Euro (!) wäre. Da ich ein verdammt gütiger Mensch bin, zähle noch die längst fällige Entschädigung ins 14. oder gar noch 15. Monatsgehalt. Und da Lächeln und Mitgefühl noch nicht im Abrechnungskatatog stehen, biete ich es, wie einige künftige Kollegen sogar gratis. Wir werden uns sicher auch darüber einig. Ich verstehe auch einige andere Kollegen ein wenig, die sich mit Hokuspokus ihr zweites berufliches Standbein aufbauen, denn Vorsorge ist besser. Es kann ja immer noch irgendwann kommen, dass Mediziner nach Leistung bezahlt werden, wenn die KV-Kassen wirklich leer werden und man weiter keine Lust hat, unstimmige Abrechnungen zu prüfen und entsprechend zu reagieren. Bitte verstehen Sie mich also auch, wenn ich übermüdet zum Dienst komme. Denn auch ich werde mein zweites berufliches Standbein aufbauen, das mit dem Hokuspokus kriege ich auch noch hin. Außerdem glauben die Patienten auch noch plötzlich, es würde stimmen, dass nur Ärzte weit mehr als 10 Stunden am Tag arbeiten und man bei allen anderen Tätigkeiten eine ruhige Kugel schiebt. Ich verrate Ihnen mal, dass es mehr Leute gibt, aber für einen Dumpingstundensatz von 1-3 Eur pro Betreuten ab ca. 4 Uhr wach sind und erst gegen Mitternacht zur Nachtruhe kommen. Und das haben wir sogar auch in der privaten Finanzierung erlebt. Denn selten sind den Eltern die gute Betreuung ihrer Kurzen etwas wert, schreien aber beim Blick ins eigene Portjuchheißa neben vielen Handys, Flachbildfernsehern und vielem mehr um den Mindestlohn für ihre Verantwortung als Mutter und Arbeitskraft. So widersprüchlich kann grenzenlose Dummheit mit Geiz und Gier gepaart sein, so etwas vermehrt sich hier in der Klinik auch gut über die Boxen in den Klinikgängen hörbar. Da Kliniken in dieser Region leicht erpressbar sind, wird sich nicht mal an den Ärzten etwas ändern, denn deren Ansprüche werden durch den hausgemachten “Ärztemangel” gern erfüllt. Wir hatten im Vorfeld ja so manch für mich lustigen Schlagabtausch. Den hätte ich gern mal persönlich, ich käme dann vor Lachen sicher überhaupt nicht mehr in den Schlaf. Dann sieht auch das Gutachten etwas amüsanter aus, ich mache doch nichts ohne Berechnung, ich hatte ja gute Lehrer dazu.
Sollten Sie von meiner ungewöhnlich langen Bewerbung gelangweilt sein, ist es auch nicht schlimm, ich halte es wie in der Politik, viele Worte um nicht allzu viel 😛
Mit freundlichem Fußkuss.
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