Wir üben den Frühlingsruf

Wenn ich hier und da lese, dass es bereits jetzt um die 15°C geben soll, kann ich es kaum glauben. Noch vor wenigen Tagen lag eine dicke Schneedecke. Dann riss mich das laute Gerumpel der vom Dach fallenden Schnee und Eisbrocken ständig aus dem Schlaf. So schön eine dicke weiße Decke über der Landschaft auch aussieht: mir ist irgendwie langsam nach Frühling. Mal so eben herbeirufen lässt er sich nicht, aber vielleicht beantragen? Erst neulich las ich von einem „Amt für Wetterbeeinflussung“ und stelle mir dieses lebhaft in Deutschland vor. Wie liefe es eigentlich ab? Mein letzter „Kontakt“ zu Herrn P. fruchtete insoweit, dass doch noch einmal herrliches Wetter aufkam, als sich schon der Herbst ankündigte.
Wie aber könnte es anders aussehen, wenn auch nicht unbedingt besser?

Ich rufe also eine so genannte „Hotline“ an und muss schon bei dieser Bezeichnung schallend lachen. Eine „Hotline“ ist ja praktisch zu Deutsch der heiße Draht zu einem Dienst. Wie heiß wir am Telefon werden können, kennen wir zur Genüge. Wir werden fuchtig, wenn uns während der teuren Wartezeit einige Dienste mehr angeboten werden oder hässliche Titel mit bereits schlechter Qualität durch den Hörer geleiert werden – im wahrsten Sinne des Wortes.

„Wählen Sie die 1, wenn Sie sich verwählt haben und noch ein wenig unterhalten werden möchten. Wählen Sie die 2, wenn Sie glauben, das Wetter mit einem Anruf ändern zu können. Wählen Sie die 3, wenn Sie ernsthaft einen Mitarbeiter für diesen Unsinn benötigen. Wählen Sie die 4, wenn Sie hierfür auch noch freundlich beraten werden möchten.“

Ich versuche es dennoch. Meine Erfahrungswerte erinnern mich daran, mein Nagelpflegeset, ein Getränk in einer weit größeren Tasse als sonst und einen Knautschball bereit zu legen, bevor ich mich vorerst entspannt in den Sessel setze, mich anlehne und die Rufnummer anwähle. Ganz wichtig ist vor allem ein möglichst voller Akku bei schnurlosen Telefonen oder Handys. Schon ewig reden unsere lieben Vorlagen für Faschingsumzugswagenfiguren (für die Scrabblespieler) darüber, dass Hotline-Nrn. bis zur tatsächlichen Dienstinanspruchnahme kostenfrei sein sollen. Bis es definitiv ist, wird mindestens meine Generation wohl nicht mehr da sein oder wir bekommen als Senioren gleich ein Telefonmobilteilchen ins Hörgerät eingesetzt. Ich weiß es nicht. Ein bisschen ist bis dahin ja noch Zeit.

Nachdem ich mich von einem zarten Glöckleinklingen als Wartemelodie berieseln ließ, kam das plötzliche Rufzeichen, welches mir meine Telefon-Beratung signalisiert. Und nun habe ich sie am Telefon: eine Piepsstimme, die mich an eine deutsche Popsängerin erinnert, wenn sie weder Mikro noch Verstärker zur Wahrnehmung zur Verfügung hat. Ich bin gefasst, habe mir ein paar Termine und Stichpunkte notiert und fühle mich somit gut vorbereitet. Wie gut, dass ich so etwas lernen musste. Ich frage nach, wie es in den nächsten Tagen bezüglich des Wetters aussehen soll und ob man da nicht… . [Ich werde vom piepsigen Lachen unterbrochen und fühle mich wie in einem Horrorfilm] Sie entschuldigt sich mit einem wahrnehmbaren klebrig süßem Lächeln und fragt mich weiter nach meinem Wunsch.] Ich setze erneut an und rassele meine Wünsche herunter, ohne Punkt und Komma. Natürlich erklärt man mir vorerst zögernd, dass es so leicht nicht ginge und weist mich auf den immensen Aufwand hin, der entsprechende Kosten verursacht. Der Schnee müsste von schnell organisierten Billig-Kräften geschnitten und abgeworfen werden, für den Sonnenschein müssen weitere Solcher ganz schön am Energierad treten, beim Hagel werden die Kräfte durch die Unterkühlung häufig krank und beim Unwetter ist man noch etwas unkoordiniert, um alles miteinander zu verbinden und ruft oft ein schlechtes Betriebsklima hervor. Was das Ganze kostet, frage ich und werde sofort auf einen Antrag hingewiesen, den es auszufüllen und irgendwo einzusenden gilt. Ich willige die Datenaufnahme ein und lasse mir diesen Antrag zukommen. Ich frage noch nach dem Befinden von Herrn P. von dem sich Herr C. nicht mehr um seine Kaffeekapseln erpressen lässt und mit einer jungen Dame lieber gegen Augenbinden und Unterwäsche tauscht. Die am Telefon gekreischte Frage, ob ich noch bei Trost wäre, verneine ich mit der Begründung, dass Therapien teuer sind und der ebenso teure Umzug die Heilung eher garantiert. Ich lasse dann (lange) geübt freundlich den Chef grüßen und lege auf.

Der Antrag kommt tatsächlich recht fix und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Seht selbst. Gern auch hier (in Word zum übungsweisen Selbstausfüllen) 😉

Ich werde vom weiteren Verlauf des Vorganges berichten.

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Ein Gedanke zu „Wir üben den Frühlingsruf

  1. Hmm, grübel… Ist das nun direkt ein Wetterantrag oder aber auch eine Bitte um erklärende Hilfe wie man als „junge Frau“ zum Kinde kommt? Oder auch für Paartherapie? 😀

    Na, jedenfalls muss ich da wohl meinen Draht nutzen um extra für mich ein Formular zu ordern.
    Mir genügt es nämlich einfach nur Wetter zu beantragen, soweit mir bekannt ist gibt es das kostenfrei. 😉 Passt also ins soziale Gefüge, auch wenn niemals die erwünschte Effektivität dabei erreicht wird. Aber man kann ja schon mal ein, zwei oder besser gleich mehrere Händchen empfangend hinhalten.

    So long… 😉

    PS: Geheimtip… Die Kostenloswetterhabenwollenhotline lautet „777“, nicht zu verwechseln mit „666“ weil dies zu übermäßigen Wärme führen könnte. 😉

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