Wir üben Heimatgefühl

So, ich bin also das 4. Jahr hier und wohl immer noch nicht ganz eingebürgert. Man gibt sich ja wahrlich Mühe und in mancher Hinsicht gelingt es auch dank einem tollen Umfeld, welches mich trotz vorheriger Skepsis prima aufgenommen hat.

Wie beschreiben wir aber die Mentalität der meisten Bewohner  hier?

Wir schrauben die Zeit einfach über 20 Jahre zurück, wie es ein großer Teil noch immer gern hätte und ich wäre fertig.

Nein, das wäre zu kurz und es gibt einen Anteil, der nach vorn schaut.

Hier mal ein nachvollziehbares Beispiel: Dieser Ort hat nicht nur eine Spielwiese, er ist mit Schmunzeln und Zwinkern sogar als eine zu betrachten:

Wir sehen ein paar Kinder, die allein oder auch gemeinsam spielen. Sie bauen Burgen und Landschaften mit ihren Baggern, spielen Kaufmannsladen, sie schieben Puppen und Autos hin und her und teilen untereinander die Kekse und auch mal ihre Brause.

Ohne Zank und Streit wäre das Ganze natürlich recht langweilig, richtig?

Die Einen neiden den „Reichtum“ anderer und sehen sich im Recht, etwas zu zerstören. Grund: „Der hat zuviel….“ Einige dieser Raufbolde versuchen Kinder des Spielplatzes zu verweisen, da diese „nicht von hier sind“. Es stehen weitere Kinder am Rand des Sandkastens und lamentieren, dass sie nicht mitspielen können statt sich dazuzusetzen oder finden mindestens 10 Gründe, das gemeinsame Aufbauen der Burgen abzulehnen oder diese zu zertreten. Behilflich in der Findung der vielen Gründe sind die Vorbilder, die (i.w.S.d.W.) in einem Glashaus in guter teurer Lage sitzen und deren meisten „Freunde“ mit Steinen werfen. Wir sehen gelegentlich einen Kampf und stundenlanges Gezeter, da sich der eine seiner Schaufel bestohlen fühlt und der nächste mit Sand warf, weil „der andere ja auch…“. Manch ein Kind schüttelt sich tapfer den Sand aus den Haaren und der Bekleidung, andere laufen schreiend weg. Steht die Entscheidung an, ein Kind mitspielen zu lassen, welches noch viele andere Ideen hat, wird dieses von manchen Kindern lange zerredet, meistens von den im Glashaus fast wohnhaften Vorbildern. Drollig ist es mit anzusehen, dass sie ihre Adresse auch noch „Markt“ benennen und diesen als Wert aber vehement ablehnen, da das „Spiel“ ja „doof“ ist. Während die einen Kinder unter dem bekannten Motto „Mehrzahl siegt – Einzahl fliegt“ flink darüber abstimmen oder sich ganz einfach einigen, gucken andere Kinder sehr zufrieden, wenn man sie ständig mit Süßkram beglückt. Selbst den größeren Kindern ist es eben egal, was es anrichtet und woher es kommt. Das ist genau eines der Grüppchen, die sich zu gegebener Zeit von anderen ausgegrenzt fühlen, statt die Situation selbst in die Hand zu nehmen und auf andere zuzugehen. Wir sehen am Rand auch die Bänke, auf denen weitere größere Kinder sitzen und sich lautstark unterhalten. Kindchen A amüsiert sich laut lachend über eine Sendung mit „Gehirnverdummung“ (Woher kennt es die wohl?). Kindchen B. zeigt sich begeistert und schreit, es würde die Sendung auch „guggen“. Kindchen A erklärt weiterhin mit wichtig klingenden Worten den Bürokratie-Wahnsinn und die nie erlebte Zeit, in der eine andere Bezeichnung für ein Schriftstück verwendet wurde. Dass die zwei von ihr aufgeschnappten und als verschieden vermuteten Wörter dieselbe Bedeutung haben, bemerkt es nicht. Wenigstens  hatte es erkannt, dass es mit irgendeinem verdammt wichtigen Stempel ja irgendwie zum Empfänger muss.

Man lernt ja auch im Sandkasten nie aus 😉

Ich durfte also (auf kindliche Art beschrieben) hier und da mitbuddeln, mithandeln, den einen oder anderen Streit schlichten, Mama spielen und Süßigkeiten tauschen.

Ich habe auch so manches Mal, wenn mir wer übel mitspielte, einen Zopf geziept, dem einen oder anderen auch mal Sand in die Tasche gesteckt, Kröten in Kapuzen gemogelt, mal im Rutschbahnhäuschen gesessen und geflucht, Mama möge mich bitte wieder abholen….

Aber ich bin ja tapfer und mische dann wieder da mit, wo noch Burgen und Landschaften zu bauen sind, wo Puppen herumgereicht oder Süßigkeiten getauscht werden und wo es nach kleinen Streitigkeiten wieder friedlich zugeht.

Ein Prost auf den Kulturschock…mit bunter Brause…versteht sich 😉

PS um 01:41: Bei meiner Ummeldung hatte die Dame am Thresen ja etwas gemurmelt… ob es ein kleiner Fluch war? 😉

 

 

 

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3 Gedanken zu „Wir üben Heimatgefühl

  1. Mmh… Heimatgefühl… Wenn das mal nicht falsche Assoziationen weckt. Weil man ja Texte selten von unten nach oben liest und mit der Erklärung des Titels beginnt.

    Quer lesen ist hier im Blog schon gelegentlich von Nöten um der Sinnerfassung gerecht zu werden, wie gut das ich auch außerhalb dieses Blogs nötigenfalls Erklärung-Bärchen kontaktieren kann.

    Beschränkt man dass Ganze nun lediglich auf die kindlichen Verhaltensweisen im Sandkasten ist man schnell durch und, sofern man selbst Kinder hat bzw. an deren Erziehung teilhaben darf nickt man wohl schmunzelnd und das war es dann auch schon.

    Ich weiß aber dass hier tiefgründigere Beiträge verfasst werden. Und eben auch ganz speziell zu Zu- , Um-, Mißständen in einer ganz speziellen Örtlichkeit.

    Vielleicht habe ich eine Kindergruppe übersehen, aber ich glaube diese hier zu vermissen. Es ist die Gruppe welche mit neuen „Spielregeln“ die alten Gruppenbeziehungen verändern will ohne dabei die anderen Kindlein im Regen stehen zu lassen. Ein schwieriges Unterfangen weil zum Einen diese „Regeln“ nicht schon zu Ende geschrieben sind und zum Anderen so manche „eingeschworene Gruppe“ mehr als mißtrauisch ist oder sogar dass Scheitern dieser „Neuen Spielart“ von Anbeginn herbeireden will.

    Ich jedenfalls bin gespannt zu erfahren was sich in genannter „Spielwiese“ zukünftig ändern wird, sofern sich etwas ändern wird… 😉

    lG vom „Platzwart“ Rudi

  2. Bei meiner Ummeldung hatte die Dame am Thresen ja etwas gemurmelt… ob es ein kleiner Fluch war?

    Ich denke nicht… 😉 Vermutlich Worte des Bedauerns und eigener Resignation. 😀

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